Suizidhilfe

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Die Suizidhilfe ist ein kontrovers diskutiertes Vorgehen, das viele medizin-ethische Fragen aufwirft. Die SAMW beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema. In den Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» widmet sie der Suizidhilfe ein eigenes Kapitel. Damit stellt die SAMW einen tragfähigen medizin-ethischen Rahmen für Arztpersonen bereit, die komplexe Einzelfallentscheidungen zur Suizidhilfe treffen müssen.

Wenn urteilsfähige Personen medizinische Fachpersonen um Unterstützung bei der Herbeiführung ihres eigenen Todes bitten, stellt das eine sehr anspruchsvolle Situation dar. Sterbewünsche müssen ernst genommen und respektiert werden. Gleichzeitig muss jede Arztperson frei entscheiden können, ob sie Suizidhilfe leisten will oder nicht. Wer sich dazu entschliesst, trägt eine grosse Verantwortung – und zwar aus medizinischer und aus ethischer Sicht. Die SAMW-Richtlinien bieten dem Teil der Ärzteschaft, der grundsätzlich bereit ist, Suizidhilfe zu leisten, medizin-ethische Orientierung.

 

Seit Ende der 90er-Jahre ist der Anteil assistierter Suizide an allen Todesfällen in der Schweiz deutlich gestiegen: von 0,2 % im Jahr 1999 auf heute 2–3 %. Diese zunehmende «Normalisierung» kann dazu führen, dass sich bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen unter Druck gesetzt fühlen, nicht weiterleben zu dürfen – etwa weil sie glauben, zur Last zu fallen oder zu viele Ressourcen zu beanspruchen. Die Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber vulnerablen Personen beinhaltet die Verpflichtung, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass sich diese Personen zur Suizidhilfe gedrängt fühlen.

 

 

Rechtlicher Rahmen

In der Schweiz gibt es kein nationales Suizidhilfe-Gesetz. Der rechtliche Rahmen wird durch das Strafgesetzbuch und das Betäubungsmittelgesetz definiert. Suizidhilfe ist in der Schweiz straffrei, wenn die sterbewillige Person urteilsfähig ist, die zum Tod führende Handlung selbst vornimmt und die assistierende Person nicht selbstsüchtig handelt. Daraus lässt sich ableiten, dass Suizidhilfe selbst bei gesunden Personen oder urteilsfähigen Minderjährigen nicht verboten ist.

 

In der Praxis werden die Bedingungen für Suizidhilfe enger gehandhabt, basierend auf Selbstregulierungen. Einerseits sind dies die Regeln der Suizidhilfeorganisationen (z. B. Vereinsstatuten), andererseits die SAMW-Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod». Die Richtlinien behandeln medizin-ethische Aspekte der Suizidhilfe und beschreiben allgemein die berufsethischen Sorgfaltspflichten. Sie sind Teil der Standesordnung der FMH und für deren Mitglieder verbindlich.

 

Sowohl die genannten Vereinsstatuten wie auch die Richtlinien können von den Organisationen, die sie verfassen, geändert werden. Für die SAMW-Richtlinien ist dieser Prozess im Reglement der Zentralen Ethikkommission (ZEK) festgelegt und unterliegt definierten Qualitäts- und Prüfverfahren.

 

 

Die Rolle der Ärzteschaft

Die Suizidhilfe liegt in der Schweiz weitgehend in der Hand privater Suizidhilfeorganisationen. Sie erfolgt grossmehrheitlich ausserhalb der Institutionen des Gesundheitssystems. Die Ärzteschaft ist jedoch doppelt involviert:

  • Suizidhilfe erfolgt durch den Einsatz eines tödlichen Medikaments (Natrium-Pentobarbital, NaP), das nur von Arztpersonen verschrieben werden darf.
  • Die Urteilsfähigkeit der sterbewilligen Person muss geprüft werden, i.d.R. durch eine Arztperson.

 

Die Ärzteschaft ist also unweigerlich in die Suizidhilfe involviert. Werden Arztpersonen mit dem Wunsch nach Suizidhilfe konfrontiert, sind differenzierte Einzelfallentscheidungen angezeigt. Orientierung bietet die Berufsethik, insbesondere das Kapitel 6.2.1 «Suizidhilfe» der SAMW-Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod».

 

Die Richtlinien betonen, dass Sterbewünsche ernst genommen werden müssen. Es ist Aufgabe der Arztpersonen, zuzuhören und die Gründe hinter dem Sterbewunsch nachzuvollziehen. Zur ärztlichen Verantwortung gehört, Symptome zu lindern, die Patientinnen und Patienten zu begleiten und Alternativen zum Suizid aufzuzeigen. Eine Pflicht zur Suizidhilfe besteht nicht – weder muss eine Arztperson sie leisten noch sie proaktiv anbieten.

 

 

Ärztliches Handeln bei der Suizidhilfe und Berufsethik

Wenn Patientinnen und Patienten von Arztpersonen Unterstützung verlangen für ihr Vorhaben, den eigenen Tod herbeizuführen, stellt dies eine tiefgreifende Herausforderung für das berufsethische Selbstverständnis der medizinischen Profession dar. Betroffen ist die ärztliche Autonomie in der Berufsausübung: Die einzelne Arztperson muss eigenverantwortlich entscheiden können, ob sie Suizidhilfe leistet oder nicht. Gleichzeitig werden Empathie und Mitgefühl gegenüber der sterbewilligen Person gefordert – Haltungen, die ebenfalls integraler Bestandteil der ärztlichen Berufsethik sind.

 

Bevor eine Arztperson Suizidhilfe leistet bzw. das nötige Rezept ausstellt, muss sie sich davon überzeugen, dass diese Entscheidung zum Wohl der betroffenen Person ist. Dies erfordert eine vertrauensvolle, respektvolle Beziehung, die von Mitgefühl und Urteilskraft geprägt ist. Das ärztliche Handeln basiert auf sorgfältiger Reflexion: Einerseits sollen die Selbstbestimmung und damit auch der Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod respektiert werden, andererseits müssen der Schutz vor Missbrauch und die Vermeidung einer Druckausübung auf besonders verletzliche Menschen stets gewährleistet sein. Das Ziel ist es, durch einen fundierten, respektvollen Dialog eine wohlüberlegte Entscheidung herbeizuführen.

 

 

Bedingungen für medizin-ethisch verantwortbare Suizidhilfe im Sinne der Richtlinien

Im Zentrum steht das Gespräch mit der sterbewilligen Person. Die Richtlinien setzen – abgesehen von begründeten Ausnahmefällen – das Führen von mindestens zwei ausführlichen Gesprächen im Abstand von zwei Wochen voraus. Bleibt nach sorgfältiger Information und Abklärung der Wunsch nach Suizidhilfe bestehen, gilt Suizidhilfe im Sinne der SAMW-Richtlinien als ethisch vertretbar, wenn sämtliche der folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind.

  1. Urteilsfähigkeit: Der/die Sterbewillige ist urteilsfähig;
  2. Selbstbestimmung: Der Sterbewunsch entspricht dem autonomen Willen, ist wohlerwogen und ohne äusseren Druck entstanden;
  3. Schwerwiegendes Leiden: Der/die Betroffene empfindet ein unerträgliches Leiden. Dieses beruht auf diagnostizierbaren schwerwiegenden Krankheitssymptomen und/oder Funktionseinschränkungen, und die Arztperson kann die geäusserte Unerträglichkeit nachvollziehen;
  4. Prüfung von Alternativen: Mögliche Alternativen wurden geprüft und haben nicht zum Ziel geführt oder werden von der sterbewilligen Person abgelehnt.

 

Die ersten beiden Voraussetzungen – Urteilsfähigkeit und Selbstbestimmung – müssen zusätzlich von einer unabhängigen Drittperson bestätigt werden; diese muss nicht zwingend eine Arztperson sein.

 

Im Zusammenhang mit der Suizidhilfe gibt es Meldepflichten: Die Verschreibung des Sterbemittels (NaP) muss innerhalb von 30 Tagen und ein Tod nach Suizidhilfe muss unverzüglich als «aussergewöhnlicher Todesfall» der zuständigen kantonalen Behörde mitgeteilt werden.

 

Gesellschaftliche und politische Diskussion der Suizidhilfe

Fragen rund um die Zulassungskriterien für die Suizidhilfe sind immer wieder Gegenstand von Debatten. Die SAMW erachtet eine umfassende gesellschaftliche Diskussion über das Verständnis und die ethische Bewertung der Suizidhilfe als unerlässlich. Die Perspektiven der Ärzteschaft und weiterer Gesundheitsberufe bilden dabei zentrale Bezugspunkte, reichen jedoch für eine abschliessende Beurteilung nicht aus. Es ist an der Gesellschaft zu klären, ob z. B. Suizidhilfe für gesunde Personen oder für Minderjährige zugänglich sein soll und welche Implikationen dies für alle Beteiligten hätte.

 

Ebenfalls sorgfältig zu prüfen ist, welche Schutzmassnahmen für vulnerable Gruppen erforderlich sind, um zu verhindern, dass sich Menschen zum Suizid gedrängt fühlen. Zudem muss diskutiert werden, wie die Selbstbestimmung in jedem Einzelfall gewährleistet und ein möglicher Missbrauch wirksam verhindert werden kann.

 

Diese Fragen beschäftigen auch die Politik. Als Mitglied des Akademienverbunds hat die SAMW den Auftrag, den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Verwaltung zu fördern. Ein etabliertes Gefäss ist Science et Politique à table!. Hier laden die Akademien der Wissenschaften Schweiz Parlamentarier:innen aus National- und Ständerat sowie Mitarbeitende von Parteisekretariaten ein, um mit fachlich führenden Forschenden aktuelle Themen zu diskutieren. Der Anlass vom 4. März 2025 war der Suizidhilfe gewidmet. Die Unterlagen können Sie hier herunterladen.

 

FAQ zur Suizidhilfe

Wie läuft die Suizidhilfe ab? Ist immer eine Arztperson dabei?

In der Regel ist es eine Arztperson, die die vier Voraussetzungen für die Suizidhilfe gemäss SAMW-Richtlinien prüft (Urteilsfähigkeit, Selbstbestimmung, unerträgliches Leiden, Alternativen – Details siehe weiter oben). Das Rezept für das Sterbemittel (NaP) darf nur von einer Arztperson ausgestellt werden. Die Koordination des gesamten Prozesses wird in der Schweiz meistens von einer Suizidhilfeorganisation übernommen.

 

Bei der Durchführung des assistierten Suizids ist in der Regel keine Arztperson unmittelbar beteiligt, sondern es ist eine ehrenamtliche Begleitperson der Suizidhilfeorganisation anwesend. Die letzte zum Tod führende Handlung muss in jedem Fall durch die sterbewillige Person selbst durchgeführt werden: Sie muss das Sterbemittel trinken oder die Infusion selber öffnen.

 

Jeder Tod nach Suizidhilfe muss als «aussergewöhnlicher Todesfall» gemeldet werden. Die zuständigen Behörden veranlassen die angezeigten Untersuchungen.

 

 

Was bedeutet es für die Ärzteschaft, Suizidhilfe zu leisten?

Diese Tätigkeit ist mit einer sehr hohen Verantwortung verbunden. Dem Gespräch mit der sterbewilligen Person kommt dabei die entscheidende Rolle zu. Die Arztperson muss sich davon überzeugen, dass die Person 1) urteilsfähig ist, dass sie 2) Alternativen kennt und ihr diese angeboten wurden und dass ihr Sterbewunsch 3) selbstbestimmt, wohlerwogen und dauerhaft ist sowie ohne äusseren Druck zu Stande gekommen ist.

 

Die Verschreibung des Sterbemittels (NaP) wird in den SAMW-Richtlinien an eine vierte Bedingung geknüpft: 4) Es müssen diagnostizierbare schwerwiegende Krankheitssymptome und/oder Funktionseinschränkungen vorliegen, an denen die betroffene Person unerträglich leidet. Dieses Leiden und der daraus entstehende Wunsch, nicht mehr leben zu wollen, müssen für die Arztperson nachvollziehbar sein. Diese Nachvollziehbarkeit ist ethisch zentral: Wer eine tödliche Substanz verschreibt, muss in jedem Einzelfall sicher sein, dass diese Handlung verantwortungsvoll ist. Denn mit der Verschreibung trägt die Arztperson direkt zur Lebensbeendigung bei.

 

Die ärztliche Beteiligung an der Suizidhilfe ist ethisch und professionell mit dem ärztlichen Berufsverständnis vereinbar, wenn medizinisch fassbare Krankheitssymptome und/oder Funktionseinschränkungen der Grund für das als unerträglich erlebte Leiden sind. Eine Arztperson ist jedoch nicht verpflichtet, Suizidhilfe zu leisten oder diese als Option vorzuschlagen. Jede Arztperson entscheidet für sich, ob diese Tätigkeit mit ihrem persönlichen Berufsverständnis vereinbar ist.

 

 

Bedeuten die Begriffe Sterbehilfe und Suizidhilfe dasselbe?

Nein. Der Ausdruck «Sterbehilfe» meint etwas anderes: Sterbehilfe machen Pflegefachpersonen, Arztpersonen und die pflegenden und umsorgenden Angehörigen tagtäglich bei der Begleitung von Menschen in der letzten Lebensphase. Sterbehilfe oder -begleitung im Sinne der Palliative Care zielt auf die umfassende Linderung belastender Symptome bei unheilbar kranken Menschen am Lebensende. Im Vordergrund steht nicht die Lebensverkürzung, sondern die Wahrung von Autonomie, Würde und Lebensqualität bis zuletzt.

 

Der Begriff «Sterbehilfe» sollte daher nicht verwendet werden für die Suizidhilfe. Als Synonyme verwendet werden können die Begriffe «assistierter Suizid» oder «begleiteter Suizid».

 

 

Wer wählt den Weg der Suizidhilfe und an welchem Ort findet sie statt?

Die grosse Mehrheit der Personen, die in der Schweiz mit Suizidhilfe versterben, sind über 64 Jahre alt, darunter signifikant mehr Frauen als Männer. Rund 40% sind von einer Krebserkrankung betroffen, 10–15% von Krankheiten des Nervensystems und ebenso viele von Herz-Kreislauferkrankungen. Ein Drittel leidet an anderen Erkrankungen, darunter Demenz und Depression.

 

Die Suizidhilfe erfolgt fast immer Zuhause, d. h. in der Privatwohnung oder im Altersheim. Fachpersonen in Spitälern und psychiatrische Kliniken sind allerdings auch mit Anfragen nach Suizidhilfe konfrontiert. Einige Kantone haben gesetzliche Vorgaben erlassen, die einzuhalten sind, damit Suizidhilfe in Spitälern, psychiatrischen Kliniken sowie Alters- und Pflegeheimen durchgeführt werden kann. In anderen Kantonen verfügen Gesundheitseinrichtungen teilweise über hausinterne Leitlinien: Manche untersagen die Suizidhilfe im Haus, andere dulden sie unter bestimmten Bedingungen.

 

 

Können psychisch kranke Menschen Suizidhilfe in Anspruch nehmen?

Die medizin-ethische Vertretbarkeit der Suizidhilfe gemäss den 4 Kriterien der SAMW-Richtlinien (siehe weiter oben) ist nicht auf bestimmte Diagnosegruppen eingeschränkt, gilt also auch für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Diese Gruppe allein aufgrund der Diagnose von der Möglichkeit eines assistierten Suizids auszuschliessen, wäre diskriminierend. Jedoch ist zu betonen, dass Suizidalität bei vielen psychischen Erkrankungen ein charakteristisches und behandelbares Symptom darstellt und dass die Beurteilung der Urteilsfähigkeit im Kontext eines assistierten Suizides bei psychisch erkrankten Personen eine besondere fachliche und medizin-ethische Herausforderung darstellt.

 

Ein Sterbewunsch muss stets, also auch beim Vorliegen einer psychischen Erkrankung, ernst genommen und in Gesprächen vertieft reflektiert werden. Die Beschäftigung mit dem Thema ist für beide Seiten ausserordentlich anspruchsvoll, aber unabdingbar um eine für die betroffene Person selbst, jedoch auch für die beteiligte Fachperson stimmige und vertretbare Entscheidung treffen zu können.

 

 

Wie erfolgt die Abklärung der Urteilsfähigkeit?

Angesichts der Tragweite der Entscheidung muss eine allfällige Urteilsunfähigkeit der sterbewilligen Person besonders sorgfältig ausgeschlossen werden. Bei der Abklärung sind sowohl kognitive als auch emotionale, motivationale und die Willensbildung betreffende Faktoren relevant. Arztpersonen, die die Urteilsfähigkeit prüfen müssen, können sich an den SAMW-Richtlinien Urteilsfähigkeit in der medizinischen Praxis orientieren. Diese empfehlen als Ergänzung zu den Untersuchungsgesprächen ein standardisiertes Vorgehen für die Evaluation der Urteilsfähigkeit und stellen dafür das Hilfsmittel U-Doc zur Verfügung.

 

 

Wie ist die Perspektive der Angehörigen zu berücksichtigen?

Suizidhilfe betrifft nicht nur die betroffene Person selbst, sondern hat auch Auswirkungen auf ihr persönliches Umfeld. Vor diesem Hintergrund empfehlen die SAMW-Richtlinien, Menschen mit Suizidwunsch zu motivieren, frühzeitig mit ihren Angehörigen darüber zu sprechen. Angehörige, die den Prozess von sich aus begleiten möchten oder von der sterbewilligen Person darum gebeten werden, sind emotional stark gefordert – etwa wenn es um den «richtigen» Zeitpunkt für den Sterbetermin geht.

 

Arztpersonen müssen sich also stets bewusst sein, dass auch das Umfeld in dieser belastenden Situation Aufmerksamkeit und Unterstützung braucht. Im Vorfeld, während und nach der Suizidhilfe ist auf die Bedürfnisse der Angehörigen und ggfs. des interprofessionellen Betreuungsteams und des weiteren Umfelds Rücksicht zu nehmen; eine allfällig benötigte Unterstützung ist bereit zu stellen und zu dokumentieren.

 

 

Wie ist Suizidhilfe auf Bundesebene gesetzlich geregelt?

In der Schweiz gibt es kein spezifisches Bundesgesetz, das die Suizidhilfe inhaltlich regelt. Auf Bundesebene wird die Suizidhilfe einzig im Strafrecht explizit erwähnt. Das Strafgesetzbuch (StGB) begrenzt die Suizidhilfe in Art. 115, indem es Beihilfe zum Suizid verbietet, wenn diese aus selbstsüchtigen Gründen geleistet wird. Weiter ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die letzte, zum Tod führende Handlung von der betroffenen Person selbst vorgenommen wird. Andernfalls handelt es sich um eine Tötung auf Verlangen, die nach Art. 114 StGB strafbar ist.

 

Voraussetzung für eine straffreie Suizidhilfe ist, dass die betroffene Person urteilsfähig ist. Nur so handelt es sich um einen Suizid. Im Falle der Urteilsunfähigkeit einer Person wäre die Mitwirkung an deren Tod möglicherweise als gemäss Art. 111 ff. StGB verbotene vorsätzliche Tötung zu qualifizieren.

 

Für Arztpersonen gelten zusätzlich die bundesrechtlichen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, wenn sie ein Rezept für das Sterbemittel (NaP) ausstellen.

 

Zusammengefasst heisst das: Suizidhilfe ist in der Schweiz nicht strafbar, wenn die sterbewillige Person urteilsfähig ist, die Handlung selbst vornimmt und die unterstützende Person nicht aus selbstsüchtigen Motiven handelt. In der Praxis orientiert sich die Suizidhilfe jedoch an engeren Standards, die nicht gesetzlich, sondern durch Selbstregulierungen festgelegt sind (Regeln der Suizidhilfeorganisationen und SAMW-Richtlinien).

 

 

Wie ist die Suizidhilfe in den Kantonen gesetzlich geregelt?

Nur wenige Kantone verfügen über spezifische gesetzliche Regelungen zur Suizidhilfe. Die Kantone Genf, Waadt, Neuenburg und Wallis haben entsprechende Vorschriften erlassen. Diese betreffen die Suizidhilfe in öffentlichen Institutionen wie Spitälern, psychiatrischen Kliniken sowie Alters- und Pflegeheimen. Die kantonalen Gesetze definieren materielle Voraussetzungen, die einzuhalten sind. Diese stimmen inhaltlich weitgehend mit den vier Kriterien der SAMW-Richtlinien überein. Darüber hinaus regeln die kantonalen Gesetze das konkrete Prozedere und formulieren verbindliche Sorgfaltspflichten.

 

 

Wie hat sich die Position der SAMW-Richtinien zur Suizidhilfe verändert?

Die SAMW beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit der Suizidhilfe. In den vergangenen zwei Jahrzehnten war eine bemerkenswerte Entwicklung zu beobachten: In den Richtlinien aus dem Jahr 2004 «Betreuung von Personen am Lebensende» hiess es noch, ein assistierter Suizid könne nur ethisch vertretbar sein «wenn das Lebensende nahe ist». In Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung und im intensiven Austausch mit den beteiligten Gesundheitsberufen führte die medizin-ethische Reflexion zu den überarbeiteten Richtlinien.

 

Die heute in Kraft stehenden Richtlinien (2018, angepasst 2021) thematisieren die Suizidhilfe auch bei Personen, bei denen der Tod noch nicht absehbar ist. Die Richtlinien stufen die Suizidhilfe auch dann als vertretbar ein, wenn zwar das Lebensende noch nicht absehbar ist, jedoch ein unerträgliches Leiden vorliegt. Die 2018 verwendete Formulierung führte in der Praxis allerdings zu Unklarheiten. Das Kapitel zur Suizidhilfe wurde deshalb 2021 präzisierend angepasst. Neu wird explizit benannt, was 2018 implizit enthalten war: Suizidhilfe bei gesunden Personen ist im Sinne der Richtlinien medizin-ethisch nicht vertretbar. Sie kann jedoch in Erwägung gezogen werden, wenn eine urteilsfähige Person unerträglich an einer diagnostizierbaren schwerwiegenden Erkrankung oder Funktionseinschränkung leidet und die Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind oder abgelehnt werden.

 

 

KONTAKT

lic. theol., Dipl.-Biol. Sibylle Ackermann
Leiterin Ressort Ethik
Tel. +41 31 306 92 73