Tierversuche sind nach wie vor ein elementarer Bestandteil biologischer Grundlagenforschung sowie von Forschung zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Mensch und Tier und der natürlichen Umwelt. Die dazu geltende Schweizer Gesetzgebung ist eine der strengsten der Welt und die aktuelle Vollzugspraxis dient der Umsetzung ethisch verantwortbarer Forschung.
Der Einsatz von Tierversuchen in der Forschung leistet in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis grundlegender Lebensvorgänge, zur Entwicklung von Therapieansätzen für Krankheiten bei Mensch und Tier und zum Schutz der natürlichen Umwelt. Tierversuche in der Schweiz unterliegen der Schweizerischen Tierschutzgesetzgebung und sind demzufolge auf das unerlässliche Mass zu beschränken.
Die Unerlässlichkeit wird für jeden einzelnen Tierversuch im Rahmen einer Verhältnismässigkeitsprüfung vorab eruiert. Dabei wird geprüft, ob der Tierversuch geeignet, erforderlich und angemessen ist. Dies setzt unter anderem voraus, dass die Kriterien guter Forschungspraxis eingehalten werden und das 3R-Prinzip (replace, reduce, refine) umgesetzt wird. Schliesslich wird anhand einer Güterabwägung festgestellt, ob der erwartete Nutzen des Tierversuchs die absehbaren Belastungen der Tiere überwiegt.
Die SAMW setzt sich dafür ein, dass Tierversuche nach den höchsten Standards guter Forschungspraxis und ethisch verantwortungsvoll durchgeführt werden. Zusammen mit der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) unterhält sie die Kommission für Tierversuchsethik (KTVE).
Kommission für Tierversuchsethik (KTVE)
Die Kommission für Tierversuchsethik (KTVE) dient als Expertise- und Beratungsorgan im Bereich Tierversuche. Sie antizipiert und diskutiert ethische Herausforderungen der Forschung mit Tieren, mit dem Ziel, qualitativ hochstehende, verantwortungsvolle und wissenschaftlich aussagekräftige Forschung zu fördern. Sie besteht aus Mitgliedern aus den Bereichen Forschung, Veterinärmedizin, Tierschutz, Recht und Ethik.
Kommission für Tierversuchsethik (KTVE)
Das Webportal «Tierversuche erklärt» der SCNAT
Wissenschaft ist ein Aspekt unter vielen im gesellschaftlichen Diskurs über die Akzeptanz und Regulierung von Tierversuchen. Die SAMW will dazu beitragen, das Thema aus möglichst unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Im Webportal der Akademien der Naturwissenschaften (SCNAT) erhalten Forschende der Schweizerischen Gesellschaft für Versuchstierkunde (SGV) eine Stimme und geben Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Tierversuchen in der Schweiz.
Kommission STAAR
Im Jahr 2022 hat swissuniversities die Kommission STAAR – Swiss Transparency Agreement on Animal Research – geschaffen, um die Institutionen, die Tierforschung durchführen oder diese fördern, in ihrer Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu unterstützen. Die Mitglieder von STAAR verpflichten sich, offen und transparent über Tiere in der Forschung zu informieren bzw. die Unterstützung dieser Forschung zu begründen. STAAR umfasst Institutionen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, unter anderem die Akademien der Wissenschaften Schweiz, die durch den Präsidenten der KTVE Prof. Hanno Würbel vertreten sind. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz bekennen sich zum transparenten Dialog über Tierversuche und deklarieren, wie und warum sie sich auf vielfältige Art und Weise dafür engagieren.
Publikationen
Güterabwägung bei Tierversuchsanträgen
Bei jedem in der Schweiz genehmigten Tierversuch wurden gemäss Tierschutzgesetz vorab in einem formellen Verfahren wissenschaftliche und ethische Erwägungen vorgenommen. Dies geschieht mittels Güterabwägung – einer mehrstufigen und anspruchsvollen Aufgabe zur Feststellung der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit jedes Tierversuchs. Die KTVE hat eine Wegleitung erarbeitet, die das Prinzip der Güterabwägung erläutert und Unterstützung bei der Durchführung der Güterabwägung bei Tierversuchsanträgen bietet.
Die Wegleitung wurde 2022 in einer revidierten Fassung veröffentlicht. Das Zielpublikum sind neben den Antragstellenden auch Tierschutzbeauftragte, Mitglieder von kantonalen Tierversuchskommissionen und Bewilligungsbehörden, die an der Beurteilung von Tierversuchsanträgen beteiligt sind.
Bereits 2010 hat die Kommission Vorüberlegungen zum Begriff der Würde des Tiers und der Güterabwägung veröffentlicht.
Bewilligungsverfahren für Tierversuche
Politische Initiativen zur Beschränkung von Tierversuchen und strengere Richtlinien bei deren Bewilligung: Warum ein strenges Bewilligungsverfahren wichtig ist für die Legitimität von Tierversuchen und wie ein solches wirksamer und effizienter umgesetzt werden könnte erläutert Prof. Hanno Würbel, Leiter der Abteilung Tierschutz an der Universität Bern, im Schwerpunkt des SAMW Bulletins 2/2019.
Tierschutz in der Pandemie
Der Teil-Lockdown vom Frühling 2020 hatte Folgen für die Zucht und Haltung von Versuchstieren und die Durchführung von Tierversuchen. Aufgrund von Lücken in der Konzeption und Umsetzung von Notfallplänen bestand die Gefahr, dem Tierschutz nicht genügend Rechnung zu tragen. Dies nahm die KTVE zum Anlass, in einer Stellungnahme einen Problemaufriss aus ethischer Sicht und Denkanstösse für zukünftige Situationen zu formulieren. Die Erarbeitung des Papiers basiert nicht auf einer systematischen Datenerhebung. Die KTVE würde die Bereitstellung aussagekräftiger Daten zu diesem Thema sehr begrüssen.
Ethische Grundsätze und Richtlinien für Tierversuche
Die von der KTVE erarbeiteten ethischen Grundsätze und Richtlinien für Tierversuche (3. Auflage 2005) stützen sich auf die Erkenntnis, dass der Mensch einerseits bei der ihm gebotenen Lösung von Problemen auf wissenschaftliche Untersuchungen an Tieren nicht verzichten kann, während ihm anderseits der ethische Grundsatz der «Ehrfurcht vor dem Leben» und der Achtung der «Würde der Kreatur» den Schutz der Tiere gebietet. Sie gründen auf der Überzeugung, dass Forschende als verantwortliche Menschen von sich aus die zur bestmöglichen Überwindung dieses Konfliktes erforderlichen Massnahmen festlegen, umsetzen und kontrollieren.
Politik
Volksinitiative: Verbot von Tier- und Menschenversuchen
Im Februar 2022 kam die Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» zur Abstimmung und wurde mit 79 % Nein-Anteil deutlich abgelehnt. Eine Annahme hätte weitreichende Folgen zulasten des Fortschritts in der Forschung und Medizin, der wissenschaftlichen Ausbildung und der medizinischen Versorgung in der Schweiz gehabt. Die SAMW hatte deshalb mit Nachdruck empfohlen, die Initiative abzulehnen. Die Argumente finden Sie im SAMW-Newsletter vom 10.01.2022.
Parlamentarische Initiative: Verbot von schwerbelastenden Tierversuchen
Im Hinblick auf die Beratung der parlamentarischen Initiative 18.491 von Maya Graf «Verbot von schwerbelastenden Tierversuchen» in der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) hatten die Akademien der Wissenschaften Schweiz, swissuniversities und der Schweizerische Nationalfonds ein Argumentarium erarbeitet.
Den Entscheid der vorberatenden Kommission finden Sie hier.
Veranstaltungen
Bewilligungsverfahren für Tierversuche
Im Herbst 2021 hat die KTVE einen national ausgerichteten Roundtable zum Thema «Bewilligungsverfahren für Tierversuche» organisiert. Expertinnen und Experten aus den Gebieten Forschung, Tierschutz und Ethik sowie Vertreterinnen und Vertreter kantonaler und eidgenössischer Behörden haben sich aus den unterschiedlichen Blickwinkeln über die aktuellen Genehmigungsverfahren für Tierversuche ausgetauscht. Handlungsbedarf für Verbesserungen und konkrete Lösungsvorschläge wurden diskutiert. Ein Bericht im SAMW Bulletin fasst die wichtigsten Erkenntnisse des Treffens zusammen.
Monkey, Mouse or Zebrafish? Überlegungen bei der Wahl des Modellorganismus
Welche Überlegungen stellen Forschende bei der Auswahl des Modellorganismus für ihre Arbeit an? Wie gehen sie mit der impliziten moralischen Hierarchie unter Tieren um, mit Primaten an einem und Fischen am anderen Ende? Die Tagung vom 1. Juli 2021 beleuchtete wissenschaftliche und ethische Fragen bei der Wahl von Modellorganismen für Tierversuche und zielte darauf ab, bei Forschenden, Tierschutzbeauftragten und Bewilligungsbehörden das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen. Um die Fragen möglichst konkret zu beleuchten, wurde die Diskussion anhand eines ausgewählten Forschungsgebiets – jenem zur Alzheimererkrankung – geführt. Der Tagungsbericht fasst die Ergebnisse zusammen.