Die Lebendspende stellt eine aussergewöhnliche medizin-ethische Situation dar: Eine gesunde Person lässt einen operativen Eingriff zu, um einem anderen Menschen ein Organ oder Teile davon zu spenden. Diverse Entwicklungen haben eine Revision der aktuell geltenden medizin-ethischen Richtlinien «Lebendspende von soliden Organen» erforderlich gemacht. Eine Subkommission hat im Auftrag der Zentralen Ethikkommission (ZEK) der SAMW die Richtlinien aus dem Jahr 2008 umfassend überarbeitet.
Bei der Lebendspende stellen Spenderinnen und Spender ein eigenes Organ für eine Transplantation zur Verfügung. Der dafür nötige operative Eingriff an einer gesunden Person zu Gunsten eines anderen Menschen (meist Angehörige) ist mit besonderen ethischen Herausforderungen verbunden. Die medizin-ethischen Richtlinien der SAMW «Lebendspende von soliden Organen» unterstützen Ärztinnen und Ärzte, Pflegende und weitere medizinische Fachpersonen bei der medizinischen und psychosozialen Abklärung der Spenderinnen und Spender und bei deren Nachbetreuung.
Revision der Richtlinien
Seit Inkraftsetzung der Richtlinien (2008) haben diverse Entwicklungen im Bereich der Lebendspende stattgefunden. Zudem wurden das Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (TxG) revidiert und neue internationale Empfehlungen herausgegeben. Dies machte eine Überarbeitung der Richtlinien erforderlich, wozu die Zentrale Ethikkommission (ZEK) 2019 eine breit abgestützte Subkommission unter der Leitung von Prof. Jürg Steiger, Basel, eingesetzt hat.
Neu behandelt werden beispielsweise die ethischen und praktischen Aspekte bei der sogenannten Überkreuz-Lebendspende (Crossover-Spende), wenn z. B. bei Ehepaaren eine direkte Spende aufgrund einer Inkompatibilität nicht in Frage kommt. Ausserdem wurden die Empfehlungen zur Evaluation von Spenderinnen und Spendern aus anderen Kulturkreisen oder mit Wohnsitz im Ausland angepasst und die aktuellen Resolutionen des Europarats berücksichtigt.
Der Richtlinienentwurf stand vom 1. Dezember 2022 bis zum 1. März 2023 in der öffentlichen Vernehmlassung. Die Veröffentlichung der aktualisierten Version ist für Spätsommer 2023 vorgesehen.
Ausblick: Teilrevision des Transplantationsgesetzes
Die revidierten Richtlinien orientieren sich am aktuell gültigen rechtlichen Rahmen. Das TxG ist jedoch im Wandel. Sobald die finale revidierte Fassung des TxG in Kraft tritt, werden allfällig notwendige Anpassungen der Richtlinien an die Hand genommen. Sofern es sich nicht um substantielle Änderungen handelt, wird keine erneute öffentliche Vernehmlassung durchgeführt.
Zusammensetzung der Subkommission
Prof. Dr. med. Jürg Steiger, Basel, Vorsitz, Transplantationsmedizin
Christine Bally, Bern, Pflege (bis April 2022)
PD Dr. med. Dr. phil. Vanessa Banz, Bern, Viszerale und Transplantationschirurgie
Dr. med. Isabelle Binet, St. Gallen, Nephrologie
Dr. phil. Anne Dalle Ave, Lausanne, Ethik (bis August 2021)
lic. phil. Irene Geiger, Basel, Psychologie
Dr. sc. med. Manya Hendriks, SAMW (ex officio)
Prof. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff, Zollikon, Präsident ZEK
lic. iur. Ursula Hubschmid, Basel, Recht/Spendervertretung (bis Juli 2022)
Anita Hurni, Bern, Pflege (ab April 2022)
Dr. phil. Gundula Ludwig, Lausanne, Psychologie/Psychotherapie
Prof. Dr. med. Thomas Müller, Zürich, Nephrologie
Prof. Dr. med. Beat Müllhaupt, Zürich, Hepatologie
Christa Nolte, M.A., Basel, Lebendspenderregister
Prof. Dr. phil. Rouven Porz, Bern, Ethik (ab August 2021)
lic. iur. Michelle Salathé, MAE, Basel, Recht und Ethik (wissenschaftliche Begleitung)
Prof. Dr. med. Yvan Vial, Lausanne, Medizin/Empfängervertretung
Prof. Dr. med. Jean Villard, Genève, Immunologie/Transplantation