Hungerstreik und Zwangsernährung

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Die medizinische Betreuung eines Häftlings im Hungerstreik kann den behandelnden Arzt in Loyalitätskonflikte bringen. Die hier veröffentlichten Publikationen der SAMW bieten Orientierung in dieser ausserordentlichen und ethisch herausfordernden Situation.

Im Jahr 2010 wurde das Thema Hungerstreik intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert, nachdem das Schweizerische Bundesgericht entschieden hatte, dass die Strafvollzugsbehörde bei einem Häftling im Hungerstreik eine Zwangsernährung anordnen müsse, wenn dies der einzige Weg sei, irreversible Schäden oder den Tod des Gefangenen abzuwenden. Die zuständigen Ärzte weigerten sich jedoch, eine Zwangsernährung gegen den Willen des Häftlings durchzuführen; sie stützten sich dabei auf die Standesethik, insbesondere auf die SAMW-Richtlinien «Ausübung der ärztlichen Tätigkeit bei inhaftierten Personen» (2002).

 

 

Richtlinien und Stellungnahme der SAMW

Eine Überprüfung der seit 2002 bestehenden Richtlinien «Ausübung der ärztlichen Tätigkeit bei inhaftierten Personen» zeigte, dass die auf der Basis weltweit akzeptierter internationaler Dokumente erarbeiteten Richtlinien nach wie vor Gültigkeit haben. Um die Umsetzung der darin festgehaltenen ethischen Prinzipien in der Praxis zu fördern, fasste die Zentrale Ethikkommission (ZEK) der SAMW die relevanten Prinzipien für die Medizin im Strafvollzug zusammen und formulierte Empfehlungen zu deren Umsetzung.

 

Ausübung der ärztlichen Tätigkeit bei inhaftierten Personen (2002)

 

Staatliche Autorität und Medizinisches Ethos
Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der SAMW (2012).

 

 

Weiterführende Dokumente

Verhinderung des Todes um jeden Preis? Ärztliches Ethos und Zwangsernährung.
Christian Kind. In: Brigitte Tag, Dominik Gross (Hrsg.). Tod im Gefängnis. Hungerstreik, Suizid, Todesstrafe und «normaler» Tod aus rechtlicher, historischer und ethischer Sicht. Frankfurt a.M.: Campus 2012:83–91.

 

Die Bedeutung der ärztlichen Unabhängigkeit in der Vollzugsmedizin.

Michelle Salathé. In: Franz Riklin, Bettina Mez (Hrsg.). Gefängnismedizin und Strafjustiz. Eine unheilvolle Verbindung? Materialien der «Fachgruppe Reform im Stafwesen», Band 5. Bern: Stämpfli; 2012:65–74.

 

Ein Hungerstreik ist eine Protesthandlung.
Bruno Gravier, Hans Wolff, Dominique Sprumont, Bara Ricou, Christian Kind, Ariel Eytan et. al. In: Schweiz. Ärztezeitung 2010.

 

Hungerstreik im Gefängnis. Zum Entscheid des Bundesgerichts vom 26. August 2010

Jacques de Haller, Pierre Théraulaz, Peter Suter, Christian Kind, Bruno Gravier et. al. In: Schweiz. Ärztezeitung 2010.

 

Der Hungerstreik von Bernard Rappaz ist kein medizinisches, sondern ein politisches Problem.

Hermann Amstad. In: Schweiz. Ärztezeitung 2010.

 

 

 

KONTAKT

lic. theol., Dipl.-Biol. Sibylle Ackermann
Leiterin Ressort Ethik
Tel. +41 31 306 92 73